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Zahlenspiele

Sonntag, 12. Oktober 2025, 19 Uhr

KARTÄUSERKIRCHE DES WAISENHAUSES, THEODORSKIRCHPLATZ 7, BASEL

Programm

Arnold Schönberg (1874-1951) Kanons

Andreas Oswald (1634-1665): Sonate a 3

Franz Tunder (1614 – 1667): Da Mihi Domine

Dietrich Buxtehude (1637-1707): Triosonata op. 2 Nr. 7 und Passacaglia

Vincenzo Galilei (1520-1591): Ricercare

Matthias Weckmann (1615-1674): Kommet her zu dir alle

Musiker:Innen
 Simone Anne Aeberhard, Blockflöten - Mojca Gal, Barockvioline - Bruno Hurtado Gosalvez, Cello - Sebastian Mattmüller, Bariton - Halldór Bjarki Arnarson, Orgel und Cembalo

 

Zum Programm

In der Barockmusik waren Zahlen nicht nur Werkzeuge zur Messung von Rhythmus oder Dauer – sie galten als Symbole für Ordnung, Harmonie und Spiritualität. Inspiriert von den pythagoreischen und neuplatonischen Ideen der Renaissance betrachteten barocke Komponisten die Musik als Ausdruck der göttlichen Ordnung des Universums, in der Mathematik und Musik tief miteinander verbunden waren. Neben der persönlichen und religiösen Numerologie setzten barocke Komponisten auch auf mathematische Proportionen in der musikalischen Struktur. Insbesondere in Kanons und Fugen waren als kontrapunktische Formen beliebt, da diese auf mathematischen Prinzipien wie Symmetrie, Umkehrung und Proportion basieren.

 

In einem Kanon wird eine Melodie in einer anderen Stimme zeitversetzt wiederholt und oft durch Techniken wie Umkehrung (Intervalle in entgegengesetzter Richtung) oder Krebs (Melodie rückwärts gespielt) verändert. Solche Verfahren erforderten nicht nur mathematische Präzision, sondern spiegelten auch das barocke Ideal einer durch Ordnung geschaffenen Schönheit wider.Diese Faszination mit Zahlen und Proportionen beeinflusste auch Komponisten des 20. Jahrhunderts wie Arnold Schönberg. Schönbergs Kanons verbinden den Kontrapunkt mit der Logik der Zwölftonmusik und sind hervorragende Beispiele für das Ineinandergreifen von Mathematik und Musik. So erklingen in unserem Programm fünf seiner Kanons, wovon jeder eine mathematische Kniffelei ist – so kann man beispielsweise das Notenblatt von Kanon I um 180° drehen und sieht dasselbe Notenbild wie vor der Drehung. Diese werden von Kompositionen seiner zahlenbesessenen Vorreiter umrahmt.

 

Der italienische Komponist Vincenzo Galilei (Vater von Galileo Galilei) versuchte beispielsweise, in Form einer Fantasie oder eines Ricercars die Entfernung der verschiedenen Planeten zur Erde sowohl musikalisch wie auch mathematisch darzustellen. Ob das erklingende ‘Ricercar’ von Vinzenzo, oder seinem zweiten Sohn Michelangelo komponiert wurde, ist allerdings nicht klar.

 

Dietrich Buxtehudes Obsession mit der Numerologie ist bekannt, nicht nur in der Anordnung seiner Werke (oft in Siebenergruppen statt in üblichen Sechsergruppen), sondern auch in der Verwendung von Zahlen im Hauptthema (Tonwiederholungen) oder die gezielte Durchbrechung von konventionellen Proportionen. Buxtehude entwickelte eine besondere Vorliebe für die Zahl 7. So komponierte er beispielsweise sieben Trio-Sonaten in seinen Opus 1 und 7, sowie das Werk «Membra Jesu nostri», welches ebenfalls aus sieben Teilen besteht. Darüber hinaus zeigt sich in Buxtehudes Werk auch eine Affinität zur Zahl 10, erkennbar in der Taktanzahl und der motivischen Nutzung Ein weiteres besonderes Werk Buxtehudes ist die Passacaglia in d-Moll. In diesem Stück werden die Zahlen 4 und 7 besonders hervorgehoben. Das Ostinato-Muster besteht aus 7 Noten in 4 Takten und erscheint 28 Mal (4 × 7 = 28). Die Passacaglia ist in 4 Abschnitte unterteilt, wobei jeder 28 Takte lang ist. Die Zwischenspiele summieren sich auf 11 (4 + 7 = 11). Diese numerischen Aspekte haben die Aufmerksamkeit von Gelehrten auf sich gezogen und wurden unterschiedlich interpretiert, beispielsweise als Darstellung von Maria (was die Passacaglia zu einem liturgischen Stück macht, das vor dem Magnificat gespielt wird) oder als astronomische Konzepte, wobei die vier Abschnitte auf die vier Hauptphasen des Mondes (erstes Viertel, Vollmond, letztes Viertel und Neumond) verweisen.

 

Während Franz Tunder und Matthias Weckmann, als Nachfolger von Buxtehudes Stil, nach der Ordnung in der Musik suchten, durchbrach Andreas Oswald (Johann Sebastian Bachs Vorgänger in Eisenach) die Proportionen bewusst. Ihre Kompositionen spiegeln den sakralen Stil wieder, der „mehr Informationen“ enthält, als es auf den ersten Blick scheint und der sich später in Deutschland in Johann Sebastian Bach vollenden wird. Die Faszination für Zahlen und ihre Bedeutung inspirierte also zahlreiche Komponisten hat in der Musikgeschichte eine lange Tradition. Die Verbindung zwischen Mathematik und Musik öffnet nicht nur faszinierende Einblicke in die Kompositionstechniken, sondern auch in die ästhetischen und philosophischen Hintergründe der Werke.

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